F&P BlogFührung internationaler Teams
Führung internationaler TeamsWas in China funktioniert, sorgt in Deutschland für Stirnrunzeln (und umgekehrt)
Autor: Veit Velten
Als ich das erste Mal ein Team in China übernommen habe, war ich überzeugt: Klare Strukturen, offene Kommunikation und eine gute Planung – damit bekomme ich jedes Team auf Kurs.
Das war mein westlich geprägter Führungsansatz. Und er war – im besten Sinne – gut gemeint. Aber er war bei Weitem nicht ausreichend.
Ich musste schnell lernen: Führung ist niemals universell. Sie ist immer kontextabhängig – kulturell, strukturell, historisch. Was bei uns in Europa funktioniert, kann in anderen Teilen der Welt zu Verwirrung, Ablehnung oder sogar zum Abbruch der Zusammenarbeit führen.
Führung hat kein globales Standardmodell
In Europa gelten Selbstverantwortung, flache Hierarchien und kritisches Feedback als Erfolgsfaktoren. In China – und ebenso in vielen anderen Ländern wie Japan, Indien oder Teilen Südostasiens – wird Führung ganz anders verstanden:
- Klare Anweisungen schaffen Sicherheit.
- Offene Kritik gilt als potenzieller Gesichtsverlust.
- Harmonie ist wichtiger als Rechthaben.
- Kommunikation erfolgt häufig indirekt – zwischen den Zeilen.
Was passiert, wenn diese Systeme aufeinandertreffen? Missverständnisse. Blockaden. Projektverzögerungen. Nicht, weil die Menschen unwillig sind – sondern weil sie unterschiedliche mentale Landkarten benutzen, um die gleiche Welt zu interpretieren.
Ein Beispiel: In Deutschland ist die Frage „Was denkst du?“ eine Einladung zur aktiven Beteiligung. In China wird dieselbe Frage oft als Test, ja sogar als potenzielle Falle verstanden.
Oder die Aussage „Das ist falsch.“ – in Deutschland ein sachliches, oft hilfreiches Statement. In China kann das zu Vertrauensverlust, persönlicher Kränkung oder sogar innerem Rückzug führen.
Kultur schlägt Struktur – jedes Mal
Selbst die besten Projektmanagement-Tools, Prozesse und Gantt-Diagramme stoßen an ihre Grenzen, wenn die kulturellen Grundannahmen nicht berücksichtigt werden. Ich habe mehrfach erlebt, wie toporganisierte Teams aus Deutschland auf hohes Unverständnis bei ihren internationalen Kollegen gestoßen sind – nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Art der Vermittlung.
Auf der anderen Seite gibt es große Stärken im internationalen Kontext: Asiatische Kulturen bringen oft ein hohes Maß an Disziplin, Loyalität und Detailorientierung mit – wenn man ihnen den richtigen Rahmen bietet. Südamerikanische Teams arbeiten häufig mit viel Kreativität und Energie – wenn sie gehört und eingebunden werden. Amerikanische Partner agieren ergebnisorientiert – aber schätzen auch Speed over Perfection. Wer diese Unterschiede versteht, kann sie gezielt nutzen.
Mein Führungsansatz für internationale Teams:
1. Kontext verstehen – ohne Vorurteile oder Bewertungsreflexe.
Nicht jeder Widerstand ist Ablehnung. Nicht jede Zustimmung ist Einigkeit. Ich nehme mir Zeit, die kulturellen Muster zu erkennen und ernst zu nehmen – ohne sie zu bewerten.
2. Rahmen setzen – aber flexibel bleiben.
Ich definiere Ziele und Rollen klar, lasse aber Raum für lokale Umsetzungsspielräume. Situative Führung ersetzt das starre Festhalten an westlichen Standards.
3. Vertrauen aufbauen – nicht nur durch Performancekennzahlen.
Menschen folgen Menschen, nicht Plänen. Ich investiere bewusst in persönliche Beziehungen, informelle Gespräche und – ja – auch in das Verstehen nonverbaler Signale.
4. Teams stärken – innerhalb ihrer kulturellen Komfortzone.
Ich unterstütze Mitarbeitende dabei, ihre Stärken im jeweiligen Kontext zu entfalten. Nicht jeder muss „agil“ im deutschen Sinne sein, um ein wertvoller Teil des Teams zu sein.
5. Konflikte übersetzen – statt verschärfen.
Oft sehe ich mich in der Rolle des Übersetzers zwischen zwei Denkwelten. Zwischen einem deutschen CEO und einem chinesischen Werksleiter. Zwischen einem amerikanischen Investor und einem indischen Teamlead. Mein Ziel ist es nicht, Kompromisse zu erzwingen – sondern gemeinsames Verständnis zu schaffen.
Internationale Führung ist Brückenarbeit
Internationale Teams erfolgreich zu führen heißt nicht, überall die gleiche Blaupause anzuwenden. Es heißt: Brücken bauen. Zwischen Erwartungen, Arbeitsstilen, Kommunikationsformen und Wertesystemen. Es heißt, unterschiedliche Perspektiven zu verbinden – ohne sich in kulturellen Fettnäpfchen zu verlieren.
Und genau das ist meine Stärke. Ich übersetze – nicht nur sprachlich, sondern kulturell. Ich schaffe Klarheit, wo Irritation herrscht. Ich bringe Struktur, wo Unsicherheit ist. Und ich sorge dafür, dass Projekte nicht an Missverständnissen scheitern – sondern an gemeinsamen Zielen wachsen.
Fazit
Führung in internationalen Kontexten ist kein Spaziergang. Sie verlangt Neugier, Demut, Geduld – und die Fähigkeit, eigene Muster zu hinterfragen.
Aber sie ist auch eine enorme Chance: Wenn sie gelingt, entsteht nicht nur wirtschaftlicher Erfolg – sondern ein echtes Miteinander über Grenzen hinweg. Und das ist heute wertvoller denn je.